"Herzlich Willkommen wieder einmal zum kältesten letzten Juni-Sonntag unseres künftigen Lebens". Damit startete unsere Exkursion bei kuscheligen 32°C, wohlgemerkt im Schatten. Eine tapfere Schar von 12 Interessierten folgten Torsten auf die Düne am Ulvenberg, den Eberstädtern besser bekannt als Eschelkopfdüne oder einfach nur "Eselskopp".
Dieses mit 8,9 Hektar kleinste Naturschutzgebiet (und seit 2001 auch FFH-Gebiet) im Eberstädter Raum ist ein besonderes Kleinod durch das Vorkommen der auf Hitze und Trockenheit spezialisierte Sand-Trockenrasen-Flora. Der geologische Untergrund besteht aus eiszeitlichen Flugsandanwehungen, die sich aus einem kalkhaltigen Feinsand aus den ehemaligen Flussbetten des Südwestens zusammensetzt. Diesen eiszeitlichen und nacheiszeitliche Lebensraum kann man sich als eisfreie Tundra-Landschaft vorstellen, in der auch zahlreiche Großsäugetiere wie Mammut, Wollnashorn, Steppenpferd und Moschusochsen umherstapften. Vielleicht ist der Kern dieser Dünen auch noch älter und umfasst Perioden der sogenannten Zwischeneiszeit, d.h. wärmere Zeitabschnitte. Hier sind Großsäugetiere wie der Waldelefant, Hirsche und Biber bekannt. Von diesen selber ist auf und in den Dünen nichts mehr zu finden, aber in den zahlreichen Kiesgruben der Umgebung sehr wohl.
Der Eselskopp selbst ist auf seiner höchsten Erhebung ca. 130m (üNN) hoch. Im gesamten Darmstädter Raum gibt es zahlreiche weitere Binnendünen, die mittlerweile unterschiedlich bewachsen oder überbaut sind. Allein in Eberstadt sind mit dem Dautenberg, Kirchberg, Hickebick, Reutersberg, Kernesbellen und Brömster noch sechs andere Dünenrelikte erhalten. Bis in die 1950er Jahre wurde an einigen Stellen über Jahre auch Sand für gewerbliche Zwecke abgebaut. Der Eselskopp war zeitweise während der Nazi-Diktatur militärisches Sperrgebiet. Fundamente einer ehemaligen Flak-Stellung weisen auf dieses abscheuliche Kapitel hin.
Vorgelagert zum eigentlichen Dünengelände am Eselskopp erwanderten wir den Kiefer-Mischwaldbereich. Hier ist festzustellen, dass sowohl die Buchen und Eichen als auch mittlerweile die Kiefern einen hohen Schädigungsgrad aufzeigen. Es ist davon auszugehen, dass dies insbesondere durch Hitze- und Wasserstress verursacht wird. Dabei ist nach den Daten des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie dies nicht auf eine Absenkung des Grundwasserleiters zurückzuführen, denn diese ist hier nicht signifikant nachzuweisen. Vielmehr sind die allgemein niedrige Niederschlagsmenge und der hohe Verdunstungsgrad wohl eher die Auslöser für diese Entwicklung.
Die Lücken im Waldgefüge werden ausgefüllt mit Robinie, verschiedenen Ahorn-Arten, Walnuss, Weißdorn und anderen Sträuchern. Zu sehen war auch die Ausbreitung von Neophyten in diesem Bereich. Vom Götterbaum war noch nichts zu sehen. Dafür ist im Nordbereich ein Bambus-Kulturraum einer Eberstädter Gärtnerei vorhanden, dessen Ausbreitung unbedingt verhindert werden sollte. Um die Dominanz der Neophyten (Berufkräuter, Nachtkerze, Jakobskreuzkraut etc.) zurückzudrängen sind landschaftspflegerische Maßnahmen notwendig. Diese werden derzeit mit Erfolg von den vom RP Darmstadt beauftragten Landschaftspflegern durchgeführt. Eine Beweidung ist unabdingbar für den Erhalt der offenen Dünenflächen, die aufgrund der Sukzession verbuschen und mit Wald zuwachsen würden.
Als Besonderheiten in der Vegetation beobachteten wir die typischen Charakterarten dieser Flächen: Acker-Schwarzkümmel, Kugel-Lauch, Sand-Radmelde, Sand-Sommerwurz (Parasit), Sand-Thymian, Sand-Wegerich, Sonnenröschen, Steppen- und Zypressen-Wolfsmilch etc. Sowie bei den Gräsern das seltene Badische Rispengras, das Sand-Lieschgras, der Duvallsche Schafschwingel, das Schillergras und Silbergras. Alles Spezialisten mit verschiedenen morphologischen Besonderheiten, um mit der extremen Bodenhitze von 60°C und mehr zurechtzukommen. Nicht selten fanden wir auch eine Spargelpflanze, ein Hinweis, dass hier früher zumindest partiell Spargel angebaut wurde.
Ab und an richteten wir unser Augenmerk nach oben, um auch die Vogelwelt wahrzunehmen. Doch sowohl die Tageszeit als auch die überwiegend abgeschlossene Brutsaison, ließ das Vogelkonzert eher dürftig ausfallen. Gehört und gesehen haben wir lediglich Amsel, Buntspecht, Kleiber, Kohlmeise, Mäusebussard, Mönchsgrasmücke, Rabenkrähe, Ringeltaube, Zilpzalp. Die in diesem Frühjahr dort beobachteten Halsbandsittiche und auch ein Wiedehopf weisen aber auf eine gewisse Artenvielfalt hin, die allerdings frühere Kartierungen aus den 1950er Jahren bei weitem nicht erreicht. Aber ein paar Tage nach unserer Exkursion war der eher seltene Grauspecht dort zu hören. Diesen haben wir von dort bislang noch nicht kartiert.
Die vielen auf Hitze spezialisierten Insekten und Spinnentiere konnten wir auch bestaunen: dort ein Schachbrettfalter, mal eine blauflügelige Ödlandschrecke und zahlreiche Wildbienen- und Wespenarten.
Von Großsäugetieren haben wir die Tunnel bestaunt: Rotfuchs und Dachs kommen vor. Rehwild kommt ebenfalls vor und ab und an mal eine Rotte Wildschweine, die das Areal aber eher zufällig "besuchen". Und ein paar Tage später ist mit dort ein Goldschakal begegnet. Das erste Mal überhaupt, dass ich einen in Eberstadt gesehen habe. Waschbären sind von dort noch nicht gesichtet worden. Vielleicht zu trocken und zu heiß für die Burschen?
Das Naturschutzgebiet "Düne am Ulvenberg" ist in allen Himmelsrichtungen durch Bebauungen oder Verkehrsstraßen begrenzt und damit weitgehend isoliert. Und auch der Zivilisationsdruck durch Spaziergänger, Gassigehern (mit häufig auch freilaufenden Wauwaus) und sonstigen Freizeitaktivitäten verhindert z.B. die Wiederansiedlung von bodenbrütenden Vögeln wie Brachpieper, Steinschmätzer und Kiebitz, die dort früher vorkamen. Und zum Thema Gassigänger fiel unangenehm auf, der viele nicht entsorgte Hundekot an den Wegesrändern. Eine Unsitte, die zu einem erheblichen und ungünstigen Eintrag von Stickstoff und Phosphaten in das Ökosystem führt.
Nach zwei Stunden Wanderung waren wir über die Düne gestapft und hatten hautnah die hochsommerlichen Temperaturen dort erfahren. Mit der Vorfreude auf ein leckeres und abkühlendes Speiseeis beschlossen wir den interessanten Rundkurs.