Westwald 2.0 oder 3.0?

Willkommen am kältesten Muttertag unseres zukünftigen Lebens": Bei strahlendem Sonnenschein, leichtem Südwestwind und anfangs noch angenehmer Morgenkühle erkundeten wir die unterschiedlichen Naturräume südöstlich der Heimstättensiedlung. In unserer Westwald-Exkursion am 11.05.2025 ("Muttertag") standen neben den zu beobachtenden Vogelarten auch die Waldsituation im Vordergrund. Bislang von uns eher "stiefmütterlich" behandelt, wollten wir den Blick auf diesen Darmstädter Naturraum  schärfen. Zu unserer alle Überraschung konnten wir eine Vielzahl von Vogelarten beobachten, die nicht nur für den Siedlungs- und Waldrand typisch sind, sondern auch Arten der Heckenflur (Gartenrotschwanz, Nachtigall, Neuntöter, Heckenbraunelle) und des Waldbereichs (Buchfink, Gartenbaumläufer, Kleiber, Sperber) wurden dokumentiert. Insgesamt erfassten wir 32 Vogelarten, was auch ein Indiz dafür ist, dass dieser Naturraum alles andere als "tot" ist. 
Oberflächlich betrachtet wirkt die Vielzahl der abgestorbenen / absterbenden Baumgerippe insbesondere in der Vegetationsruhephase, d.h. Herbst und Winter, sehr beunruhigend. Was passiert hier? Warum sterben die Hochstämme von Rotbuche, Winter- und Sommerlinde und Traubeneiche massenhaft ab? Auch bei den tiefwurzelnden Kiefern sieht man mittlerweile einige geschädigte Bäume mit braun verfärbten Kronenbereichen. Andererseits gedeiht eine ausgedehnte Strauchschicht aus jungen Pflanzen von verschiedenen Ahorn-Arten, Robinie, Weißdorn, Hasel und Hartriegel. Landschaftspflegerisch eher problematisch wird die offensichtliche Dominanz der spätblühenden Traubenkirsche dort gesehen. Und auch ein Areal mit dem geschassten Götterbaum konnten wir an der "Schießmauer" ausmachen. Beides sehr schnell wachsende Neophyten, die an trockene Standorte mit sandigen Böden gut angepasst sind. Aus klimaökologischer Bilanz ist jede grüne Pflanze, die CO2 bindet ein Gewinn, insbesondere schnellwachsende Arten wie eben Götterbaum und die spätblühende Traubenkirsche. Andererseits verändern sie die Zusammensetzung unserer Naturräume. Aber so haben sich Ökosysteme evolutiv schon immer verändert - mal langsamer, mal schneller. Homo sapiens wirkt hierbei seit seinem erdgeschichtlichen Auftauchen als besonders "effektiver" Katalysator.
Wir haben uns über die Gründe ausgetauscht, warum hier diese Veränderung scheinbar so schnell vor sich geht. Nach den Daten des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie hat sich der Grundwasserspiegel seit Aufzeichnungsbeginn im Exkursionsgebiet nicht signifikant geändert. Anders als zB im Südosten von Eberstadt bis nach Seeheim, wo eine signifikante Grundwasserabsenkung von fast 4 m von 1989 bis 2015 festzustellen ist. 
Wenn aber im Westwald der Grundwasserspiegel sich kaum verändert hat, können die Wasserwerke mit deren Wasserentnahme nicht ursächlich das Problem des Baumsterbens sein, wie oft angeführt wird. Im Westwald in unserem Exkursionsgebiet liegt der Grundwasserspiegel bei 15 bis 30 m unter der Bodenoberfläche (= Grundwasserflurabstand). Wenn überhaupt haben nur Tiefwurzler mit Kapillarwasser aus dem Grundwasserleiter Kontakt. Alle anderen Pflanzen sind auf Oberflächenwasser angewiesen. Die zunehmenden Jahrestemperaturen - bedingt durch den menschgemachten Klimawandel - beschleunigen eine oberflächliche Verdunstung, so dass die Feinwurzeln immer weniger Feuchtigkeit erhalten. Die Baumarten, die diesen Hitze-  und Trockenheitsstress nicht gewachsen sind, sterben nun und werden von resilienteren Arten ersetzt.
Die zugehörige Fauna an Insekten, Spinnentieren, Vögeln, Fledermäuse etc. wird sich diesem Wechsel ebenfalls anpassen. 

 

Nach fast 3 h Rundgang gingen wir auseinander mit dem Wissen, wir werden auch weiterhin Veränderungen in kürzester Zeit beobachten können. In Fauna und Flora wird es Gewinner und Verlierer dieses Prozesses geben. Wir sollten aber alles daran tun, dass diese Veränderungen nicht noch weiter durch unser Zutun beschleunigt werden.

Unsere Artenliste:

1. Amsel  

2. Bachstelze  

3. Blaumeise  

4. Buchfink  

5. Buntspecht  

6. Dohle  

7. Eichelhäher  

8. Elster  

9. Fitis  

10. Gartenbaumläufer  

11. Gartenrotschwanz  

12. Graureiher  

13. Grünfink  

14. Grünspecht  

15. Haussperling  

16. Heckenbraunelle  

17. Kleiber  

18. Kohlmeise  

19. Mauersegler  

20. Mäusebussard  

21. Mönchsgrasmücke  

22. Nachtigall  

23. Neuntöter  

24. Rabenkrähe  

25. Ringeltaube  

26. Rotkehlchen  

27. Schwarzspecht  

28. Singdrossel  

29. Sperber  

30. Star  

31. Straßentaube  

32. Türkentaube  

33. Zilpzalp